Wir verabschieden Nils Matzka

Als Moderator und Mitorganisator war Nils Matzka fester Bestandteil des Topical Island Poetry Slam. Doch nun verabschiedet er sich aus dem Team, um seiner großen Leidenschaft zu folgen: dem Theater. Zum Ende einer Ära und den bevorstehenden Veränderungen haben wir ihm ein paar Fragen gestellt.


Du warst 2015 Leipziger Stadtmeister und Teilnehmer der deutschsprachigen Meisterschaften, hast Workshops gegeben und bist noch immer Mitglied von zwei Lesebühnen. Dennoch steigst du nun aus unserem TIPS-Team aus. Warum? 

Die Organisation des TIPS hat mir großen Spaß gemacht. Ich habe aber auch gemerkt, dass ich der Szene sehr ambivalent gegenüberstehe. Die große Liebe zum Slam ist ein wenig verblasst – die ist aber gerade zum Veranstalten und Schreiben so dringend notwendig. Man kann sagen, dass sich die Herzblut-Prioritäten bei mir einfach geändert haben.

Gibt es konkrete Momente, an die du dich aus deiner Zeit als Mitorganisator und Moderator gerne zurückerinnern wirst? 

Unser Erotik-Slam im Helheim war einer der besten Slams, die ich bisher moderieren durfte. Das Line-Up war toll, die Leute haben sich wie blöd in den kleinen Veranstaltungsraum gezwängt und hatten die positivste Stimmung, die ich je auf einem Slam erlebt habe. Das war auch insgesamt erst unser zweiter Slam. An diesem Abend hatte ich so ein Gefühl der Selbstwirksamkeit – wenn man will, dann kann man. Dieses Gefühl will ich auf jeden Fall für alles, was jetzt kommt, bewahren.

 

Für dich war Poetry Slam auch eine Art Befriedigung deines Faibles für Bühnen, sozusagen als Ersatz für deine Leidenschaft zum Theater. Bereits in der 9. Klasse hast du in einer Theater-AG erste Erfahrungen auf den Brettern, die die Welt bedeuten, sammeln und dein Faible für Theater entdecken können. Was reizt dich konkret am Theater?

Ich verausgabe mich nirgendwo so gern wie auf der Bühne. Da wird alles gebraucht, was ich habe – Kopf, Körper, Bauchgefühl, Einsatz… Theater ist die ideale Kombination aus Denken und Schweiß. Theater ist das Hier und Jetzt. Es gibt keinen fünfundvierzigsten Take, keinen Replay-Button, und das macht sowohl das Zuschauen als auch das Selber-Machen so wunderbar dringlich.

Auf welche Erfahrungen in der Theaterszene kannst du bis heute zurückblicken?

Einerseits habe ich viel gespielt und gesprochen. Da war von einer Sprecherrolle mit klassischem Ensemble bis zum knallenden Jugendtheater von Yves Hinrichs alles dabei. Ansonsten war ich schon theaterpädagogischer Betreuer, Regieassistent, und nicht zuletzt habe ich eben für die Bühne geschrieben. Im September werde ich dann zum ersten Mal Regie führen.

Doch bereits jetz steht eine ganz große Sache direkt vor der Tür: Dein erstes Theaterstück kommt auf die Bühne! „Nie wieder schön“ feiert an diesem Freitag Premiere. Die Uraufführung ist im Rahmen des KAOS-Kultursommers. Wie ist es dazu gekommen?

In meiner Erzieherausbildung habe ich im Theaterbereich der KAOS-Kulturwerkstatt gearbeitet – einer der schönsten Arbeitsplätze in Leipzig. Meine Mentorin Isabella Hertel-Niemann wusste, dass ich schreibe. Da hat sie einfach mal das Experiment mit mir gewagt und mich mit ner Auftragsarbeit für die Bühne betreut. Thema: Love Me Gender.

Wie und in welchem Maß warst du an der Inszenierung und Umsetzung beteiligt? Welche Erfahrungen konntest du dabei für zukünftige Stücke mitnehmen?

Außerhalb der Textarbeit war ich nicht am Inszenierungsprozess beteiligt – was auch richtig ist. Die Regie und die Spieler sollen ja ihren eigenen Zugang zum Text finden. Der Schreibprozess war allerdings sehr lehrreich für mich. Ich habe viel recherchiert, mit den Jugendlichen aus der KAOS-Werkstatt Texte erarbeitet und mich mit meiner eigenen Geschlechtsidentität auseinandergesetzt. Der Feinschliff ist im engen Dialog mit der Regisseurin Lisa Wilfert entstanden, worüber ich sehr dankbar bin. Auch das, der dialogische Prozess, ist etwas, das ich am Theater sehr schätzen gelernt habe.

In der Facebook-Veranstaltung ist von Sci-Fi-Tragikomödie, absurdem Theater und einem Familiendrama die Rede. Von der „Diktatur der schönen Oberfläche, über die Macht gesellschaftlicher Systeme über den Körper des Einzelnen“. Kannst du für Außenstehende in zwei Sätzen erklären, worum geht es in „Nie wieder schön“ konkret geht?

Die Transfrau Mora Steinmann besucht nach ihrer Umwandlung im Jahr 2025 ihre Eltern, die sie seit zehn Jahren nicht gesehen hat. Dort stellt sie fest, dass sie von ihren Eltern durch einen Androiden ersetzt wurde, einen künstlichen Moritz, Projektionsfläche für Sehnsüchte nach heteronormativer Gleichschaltung.

Sind weitere Inszenierungen in Planung? Und mit welchen persönlichen Herausforderungen wirst du in naher Zukunft konfrontiert?

Im September inszeniere ich mein erstgeschriebenes Stück „SIE MÖGEN SICH“ auf der Werkstattbühne des LOFFT. Danach wird es wohl an eine szenische Umsetzung meiner Erzählung „Ungeliebter Nacktmull“ gehen. Zudem habe ich letzte Woche die Zusage für den Studiengang Dramaturgie an der HMT bekommen. Das nächste Ziel ist es also, mich in dieses Studium zu stürzen. Ich bin schon gespannt und freue mich sehr drauf!

Danke, lieber Nils, für deine Antworten. Ein besonderes Dankeschön aber für die Zusammenarbeit und gute Zeit mit dir als Kollege und guter Freund beim Topical Island Poetry Slam. Wir wünschen dir viel Glück bei deinem zukünftigen Werdegang und stehen voll hinter deinen Plänen! Du bist fantastisch! 

Dieser Beitrag wurde zuerst auf blueten-staub.de veröffentlicht.

Fotografien: Paul Köllner

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